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Erb-Recht: Verweigerung der Pflege
bedeutet noch nicht den Verlust des Pflichtteils

Der Pflichtteil für einen Erben kann zwar nach § 2333 BGB entzogen werden – aber zu dem Zweck muss schon einige „Böswilligkeit“ mit im Spiel sein. Tatsächlich sagt der Paragraf ganz deutlich: „Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling […] die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt […]“.

Alleine die Tatsache, dass ein Kind dem Elternteil verweigert dessen Pflege zu übernehmen, stellt noch keine Böswilligkeit dar. Ein „Enterben“ vom Pflichtteil ist also nicht so einfach möglich, wie das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt im Oktober 2013 festlegte. Der im Erbfall bestehende Anspruch der Kinder auf einen Pflichtteil bleibt also ganz klar bestehen.

Im konkreten Fall war der so genannte Erblasser seit einem Unfall pflegebedürftig und da seine Tochter die Pflege nicht übernahm, wurde sie durch ein Testament enterbt. Im Gegenzug wurde die Frau, die die Betreuung und Pflege nun übernahm als Alleinerbin eingesetzt. Diese klagte gegen die Tochter und vertrat die Ansicht, dass die Tochter des Erblassers nunmehr keinen Anspruch mehr auf ein Pflichtteil habe.

Nachdem schon das Landgericht Kassel der Tochter Recht gab, folgte auch das OLG in Frankfurt den Argumenten seiner Kollegen. Das Hauptargument, der § 2333 BGB, den die Klägerin heranzog, war auch der Grund für die Abweisung der vorgebrachten Argumente. Ein Pflichtteil könne zwar entzogen werden, so das OLG, aber eben nur unter den Voraussetzungen des § 2333 BGB.

Es sei in diesem Zusammenhang durchaus zu berücksichtigen, dass nicht jedes „Fehlverhalten“ des Kindes, welches zu einer Entfremdung oder zu einem Zerwürfnis mit dem Erblasser führt, gleich eine Pflichtteilsentziehung rechtfertigt. Andernfalls würde das Pflichtteilsrecht der Kinder schlicht ins Leere laufen und jede praktische Bedeutung verlieren. Sprich, das Gesetz unterhöhlt werden.

So entschied das Oberlandesgericht, dass ein wirksamer Pflichtteilsentzug nicht vorlag. Zumal die Tochter zum Zeitpunkt der vorab entstandenen Faktenlage gerade erst 16 Jahre alt war. Darüber hinaus wäre der Unterhalt stets in Geld zu leisten gewesen und daher rechtfertige die Verweigerung der Pflege keine Pflichtteilsentziehung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.10.2013 – 15 U 61/12 –

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