Die gesetzliche Krankenkasse kann sich nur dann auf eine Festbetragsregelung berufen, wenn diese wirklich eine sachgerechte Versorgung des Versicherten ermöglicht. Sprich, der Heilerfolg auch ernsthaft eintritt. Andernfalls muss die Kasse die kompletten Kosten tragen – denn gesundheitlich beeinträchtigen Patienten stehe ein kompletter Behinderungsausgleich zu, so das Hessische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom Juli 2014.
Was war passiert? Der Kläger litt an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Nach einer entsprechenden Testphase empfahl ihm sein Hörgeräte-Akustiker ein Hörgerät für fast 5.000 Euro, mit dem er dann sogar Telefongespräche führen könnte. Dies wurde auch der Krankenkasse so mitgeteilt. Diese schrieb zurück und teilte dem Patienten mit, dass sie lediglich den Festbetrag von rund 1.200 Euro übernehmen wolle. Da die Behinderung des Verwaltungsangestellten sehr groß war, entschied er sich trotzdem für das teure Hörgerät. Seinen entsprechenden Antrag auf Erstattung der Differenz von etwa 3.700 Euro lehnte die Krankenkasse jedoch ab.
Das zunächst angerufene Sozialgericht wies die Klage des Mannes mit der Begründung ab, dass dieser bereits vor der Ablehnung der Krankenkasse das Hörgerät einfach gekauft und damit den normalerweise vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe.
Das Hessische Landessozialgericht kassierte dieses Urteil aber wieder ein und sah die Begründung für einen Ausgleich ganz anders begründet. Zunächst stellten die Richter fest, dass ja die Versorgungsanzeige des Hörgeräte-Spezialisten einen Leistungsantrag auf bestmögliche Versorgung mit einem Hörgerät beinhalte. Die Krankenkasse gewährte jedoch nur den Festbetrag, so lehne sie quasi die Kostenübernahme für eine höherwertige Hörgeräteversorgung ab. Das Argument, der Patient habe nicht den vorgeschriebenen Beschaffungsweg eingehalten, stimme nicht – die Krankenkasse habe den Antrag durchaus prüfen können und ihn ja letztlich quasi abgelehnt, indem sie nur einen Festbetrag angeboten habe.
Zudem wiesen die Richter auf einen in diesem Zusammenhang erkennbaren Mangel hin: Die Krankenkassen gewähren den Versicherten keinen Zugang zu unabhängigen Beratungs- und Begutachtungsstellen. Damit erhielten die Versicherten wie der klagende Verwaltungsangestellte auch keine Einsicht in von Gewinnerwartungen unabhängige Untersuchungen und damit verbundenen Möglichkeiten zur Anpassung der in Betracht kommenden Hörgeräte.
Diese Aufgabe würden die Kassen vielmehr einfach an die Hörgeräte-Akustiker abgeben und daher gehe es denn auch zu deren Lasten, wenn sich im Gerichtsverfahren nicht mehr klären lasse, ob nicht vielleicht auch ein günstigeres Hörgerät einen vergleichbaren Ausgleich der Funktionsdefizite des schwerhörigen Klägers erzielt hätte.
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.07.2014 – L 8 KR 352/11 –