Der Streit scheint nicht neu: Versicherungen versuchen mit immer gleichen Ansätzen die Auszahlung von Geldern zu behindern beziehungsweise zu kürzen. Besonders beliebt ist das Argument, eine freie Werkstatt könne einen Unfallschaden ebenso sachgerecht beheben wie eine Markenwerkstatt. Diese sei aber deutlich günstiger und daher hinreichend für die Zahlung an den Geschädigten. Da stehen dann auch oft noch Gutachten gegen Gutachten und für die Betroffenen scheint es schwierig, die angesetzte Summe zu bekommen – egal, ob nun wirklich repariert wurde oder nicht.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu im November 2015 entschieden, dass auch bei einer fiktiven Abrechnung von Unfallschäden in der Fahrzeugkaskoversicherung – unter bestimmten Voraussetzungen – die Aufwendungen, die bei Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden, durchaus ersatzfähig sind. Der Geschädigte muss sich nicht von einem Versicherer auf die niedrigeren Kosten einer freien Werkstatt verweisen lassen.
Die Klage des Unfallgeschädigten im zugrunde liegenden Fall hatte beim Amtsgericht Berlin-Mitte zunächst Erfolg. Das Landgericht Berlin hat sie nach der Berufung des beklagten Versicherers allerdings abgewiesen. Da die Reparatur des Fahrzeugs auch in einer markenfreien Fachwerkstatt zu einer vollständigen und fachgerechten Reparatur führe, seien nur die dort anfallenden Kosten als erforderlich anzusehen. Für die vom Amtsgericht befürwortete Übertragung der Grundsätze aus dem gesetzlichen Haftungsrecht fehle es an einer tragfähigen Begründung.
Der BGH entschied nun, dass die höheren Aufwendungen für die Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt auch nach der – durchaus maßgeblichen – Auslegung der Versicherungsbedingungen, abhängig von den Umständen des jeweiligen Falles, als “erforderliche” Kosten im Sinne der Klausel anzusehen sein können. Danach kann der Geschädigte diese Aufwendungen dann verlangen, wenn ausschließlich in der Markenwerkstatt eine vollständige und fachgerechte Instandsetzung seines Fahrzeugs möglich ist.
Das gelte im Regelfall aber auch dann, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug oder um eines handelt, das der Versicherungsnehmer bis dato stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Dass eine dieser Voraussetzungen vorliegt, ist vom Unfallgeschädigten im Streitfall allerdings darzulegen und zu beweisen.
Der Bundesgerichtshof hat zunächst den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zur weiteren Klärung des konkreten Falls zurück verwiesen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.11.2015 – AZ – IV ZR 426/14 –