Muss jemand, der für einen kirchlichen Arbeitgeber tätig ist, auch tatsächlich einer entsprechenden Religion angehörig sein? Eine wirklich grundlegende Frage im Arbeitsmarkt, so dass das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Fall den Europäischen Gerichtshof um die Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie ersuchte. Dies zielt auf den Schutz des Grundrechts der Arbeitnehmer ab nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden. Gleichzeitig soll aber auch dem im Unionsrecht – insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – anerkannten Recht der Kirchen auf Autonomie Rechnung getragen werden (wie auch anderen Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht).
Was war der Anlass dieser weitreichenden juristischen Entscheidung? Vera Egenberger, die keiner Konfession angehört, bewarb sich 2012 auf eine vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung ausgeschriebene Stelle. Es handelte sich um eine befristete Referentenstelle für ein Projekt, das die Erstellung des Parallelberichts „Internationale Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung“ zum Gegenstand hatte.
Das Aufgabengebiet umfasste sowohl die Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit als auch die Koordinierung des internen Meinungsbildungsprozesses.
Nach der Stellenausschreibung mussten die Bewerber Mitglied einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehörenden Kirche sein. Die grundsätzlich durchaus geeignete Bewerberin wurde jedoch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Da sie eine Benachteiligung aus Gründen der Religion erlitten zu haben glaubte, verklagte sie das Evangelische Werk vor den deutschen Gerichten auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von fast 10.000 Euro.
Der ergänzend angerufene Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat entschieden, dass das Erfordernis, dass Bewerber um eine bei der Kirche zu besetzende Stelle einer bestimmten Religion angehören müssen, einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle standhalten können muss. Dieses Erfordernis muss aufgrund der Art oder der Umstände der beruflichen Tätigkeit objektiv notwendig sein. Und es muss mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.
Das Bundesarbeitsgericht erläutert dazu, dass sich in Deutschland die gerichtliche Kontrolle der Einhaltung dieser Kriterien auf eine Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses beschränken müsse. Daher wollte es auch vom EuGH insbesondere wissen, ob eine solche beschränkte gerichtliche Kontrolle mit der genannten Richtlinie vereinbar ist.
Macht eine Kirche oder eine vergleichbare Organisation zur Begründung einer Entscheidung (wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle) geltend, dass die Religion nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den Umständen eine wesentliche und gerechtfertigte berufliche Anforderung sei, so muss dies Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können. Das angerufene Gericht muss sich also vergewissern, dass die in der Richtlinie für die Abwägung genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind.
Der EuGH stellt darüber hinaus klar, dass es den staatlichen Gerichten im Regelfall jedoch nicht zusteht, über das der bei einem Arbeitgeber angeführten beruflichen Anforderung zugrunde liegende Ethos als solches zu befinden. Gleichwohl haben sie festzustellen, ob die drei Kriterien “wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt” in Anbetracht dieses Ethos im Einzelfall erfüllt sind.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 17.04.2018; AZ – C-414/16 –