Fehlt einem Grundstück die zur Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung eines erforderlichen Zugangs dulden. Bei zu Wohnzwecken dienenden Grundstücken muss dabei außerdem eine Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen möglich sein. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom März 2018 hervor.
Bereits Ende 2014 ersteigerte eine Investmentgesellschaft in einem Zwangsversteigerungsverfahren das Eigentum an einem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück in Meschede. Vorheriger Eigentümer dieses Grundstücks war der Vater des Beklagten, der das benachbarte, nur 22 qm große Grundstück von der Stadt Meschede erworben hatte – was aber zwischen dem versteigerten Grundstück und einem öffentlichen Wegegrundstück der Stadt Meschede lag.
Der anschließend Beklagte hatte potenzielle Ersteigerer durchaus über die Unverkäuflichkeit seines eigenen Grundstücks informiert. Der Hintergrund ist, dass das versteigerte Grundstück zwischen bebauten Privatgrundstücken, einem Bach sowie einer Bahnlinie eingebettet ist. Bislang konnte es daher ausschließlich über einen Weg erreicht werden, der aus dem 22 qm großen Grundstück und dem öffentlichen Wegegrundstück besteht.
Die Investmentgesellschaft hatte nun von dem Beklagten die Einräumung eines Notwegs verlangt und dahingehend Klage erhoben. 2016 musste ein von dem klagenden Unternehmen beauftragter Gerichtsvollzieher die Räumung des Versteigerungsobjektes abbrechen, weil der Beklagte den Zugang über sein 22 qm-Grundstück verweigerte.
Das zunächst zuständige Landgericht Arnsberg gab der Klage statt. Das Gericht erkannte, dass der klagenden Investmentgesellschaft ein Notwegerecht zustehe, weil es dem Versteigerungsobjekt an einer Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehle. Sie müsse sich nicht darauf verweisen lassen, dass der Zugang zu ihrem Grundstück auch über die Grundstücke von Nachbarn möglich sei. Dass diese von der Situation der Erreichbarkeit des versteigerten Grundstücks bereits im Zwangsversteigerungsverfahren Kenntnis hatte, sei für die rechtliche Bewertung unerheblich.
Der Beklagte war unter anderem der Auffassung, dass das Landgericht ein Notwegerecht fehlerhaft bejaht habe. Ein solches Recht sei nicht im Grundbuch eingetragen. Die Räumung des Versteigerungsobjektes sei ja auch zum Beispiel mit einem Hubschrauber möglich. Im Übrigen habe bereits sein Vater auf ein Notwegerecht dadurch verzichtet, dass er ein solches Recht nicht im Grundbuch eingetragen habe.
Das Oberlandesgericht Hamm folgte dem nicht und bestätigte die Verurteilung des Beklagten durch das Landgericht. Die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehle dem versteigerten Grundstück. Die klagende Investmentgesellschaft müsse sich nicht etwa auf den Gebrauch eines Hubschraubers verweisen lassen, um zu ihrem Grundstück zu gelangen. Für die von ihr beabsichtigte Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken müsse es ihr nämlich möglich sein, es auch mit Kraftfahrzeugen erreichen zu können. Ein etwaiger Verzicht auf ein Notwegerecht durch den Vater hätte im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten im Grundbuch eingetragen werden müssen, damit er gegenüber der Klägerin ebenfalls wirksam gewesen wäre.
Letztlich sei aber die klagende Gesellschaft durchaus dazu verpflichtet den Beklagten durch Zahlung einer Notwege-Rente für die Benutzung seines Grundstücks zu entschädigen. Der Beklagte habe diese aber im Rechtsstreit nicht geltend gemacht, und auch nicht, dass und in welcher Höhe er dazu ein Zurückbehaltungsrecht ausüben wolle.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 22. März 2018, AZ – 5 U 60 /17 –