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Braucht ein Erbe gegenüber der Bank in jedem Fall einen Erbschein?

Nicht in jedem Fall darf eine Bank oder Sparkasse einen Erbschein verlangen

Besteht einen Bank auf der Vorlage eines Erbschein, so kann sie sich im Einzelfall sogar schadensersatzpflichtig machen. Dies gilt insbesondere, wenn auch der Verweis auf ein eröffnetes eigenhändiges Testament des Erblassers genügen würde. Das geht ganz klar aus einem Urteil des Bundesgerichtshof vom April 2016 hervor. Ein Erbe könne danach sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn daraus seine Stellung in der Erbfolge eindeutig hervorgehe.

Im zugrunde liegenden Fall ging es um ein handschriftliches Ehegattentestament der Eltern, die sich zunächst gegenseitig als Erben eingesetzt und die beiden Kinder nach dem Tod als Erben zu je 50 Prozent bestimmt hatten (ein sogenanntes „Berliner Testament“).

Nach dem länger zurückliegenden Tod des Vaters war die Mutter verstorben. Der Sparkasse genügte die Vorlage des Testaments mit dem amtlichen Eröffnungsprotokoll des zuständigen Nachlassgerichts jedoch nicht. Vielmehr verlangte sie einen Erbschein, zunächst mit der Begründung, es sei nur ein „Vermächtnis“ angeordnet. Danach folgte das Argument, ein handschriftliches Testament könne immer gefälscht sein.

In der Praxis ist es bei Banken und Kreditinstituten absolut üblich, dass sie einen Erbschein sehen wollen, wenn jemand auf ein Konto des Erblassers zugreifen möchte. Das ist aus Sicherungsgründen im Grundsatz durchaus im Sinne der Erben.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass das Beharren auf dem Erbschein bisweilen zu weit geht. Der Erbe könne sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn daraus seine Erbenstellung eindeutig hervorgehe. Im konkreten Fall hatte die Sparkasse die Vorlage eines eigenhändigen Testaments mit Eröffnungsvermerks nicht ausreichen lassen, sondern auf der Vorlage eines Erbscheins bestanden.

Entscheidend waren für die Erben vor allem die hohen Kosten von über 1.700 Euro für den Erwerb eines Erbscheins. Die Bank lehnte die Übernahme der Kosten für den Erbschein ab. Der BGH verurteilte die Sparkasse, die unnötigen Kosten des Erbscheinverfahrens sowie alle Verfahrenskosten den Kindern als Erben zu erstatten.

Nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit einer vorgelegten und beglaubigten Kopie des handschriftlichen Testaments darf eine Bank oder Sparkasse einen Erbschein verlangen. Hier lagen aber keine konkreten Zweifel an der Echtheit des der Bank bereits seit dem Tod des Vaters bekannten Testaments vor.

Urteil des Bundesgerichtshof vom 5. April 2016, AZ – XI ZR 440/15 –

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