Im konkreten Fall geht es um die Tätigkeit als sogenannter Inkasso-Anwalt, der für ein Online-Portal verschiedene Mahnschreiben entwarf und dem durchaus erfolgreichen Versand – wobei am Ende 140.000 Euro in die Anwaltkasse geflossen sind. Und das, obwohl der Inhalt der Mahnung sich zumindest als fraglich, wenn nicht gar als gegenstandlos darstellte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat es als mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar und daher verwerflich angesehen, dass juristische Laien (also die Empfänger der Mahnschreiben) durch Behauptungen und Androhungen, die der angeklagte Anwalt mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen hatte, zur Erfüllung nur scheinbar von diesem geprüften rechtlichen Ansprüche veranlasst werden sollten. Besagter Inkasso-Anwalt wurde wegen versuchter Nötigung vom LG Essen in zwei Fällen verurteilt, was durch diese Entscheidung des BGH bestätigt wurde.
Was steckte hinter dem Verfahren und den fraglichen Mahnschreiben? Dabei ging es um sogenannte Gewinnspieleintragungsdienste. Potenziellen Kunden war über Callcenter angeboten worden, sie gegen einen Teilnehmerbeitrag in Gewinnspiele einzutragen. Dies geschah aber nicht. Nachdem es bei dem trotzdem versuchten Einzug der Teilnehmerbeträge mittels Lastschrifteinzug immer häufiger zu Rücklastschriften kam, entschloss sich der Gewinnspieleintragungsdienst, die Kunden mittels eines “Inkasso-Anwalts” zu mahnen, um so auf sie Druck auszuüben und dadurch zur Zahlung der eigentlich unberechtigten Forderungen zu veranlassen.
Der angeklagte Anwalt wurde mit dem Entwurf und Versand dieser Mahnschreiben beauftragt und hat dies auch ausgeführt. Dass der Angeklagte bei der Erstellung Kenntnis von der fehlenden Eintragung der Kunden in die Gewinnspiele hatte, konnte das Landgericht Essen nicht feststellen. Jedoch wurde Folgendes deutlich: Die Mahnschreiben erweckten den Anschein, der Anwalt habe die Forderungen aus den Gewinnspieleintragungen geprüft. Tatsächlich wurden die Namen der Empfänger vom Verantwortlichen des Gewinnspieleintragungsdienst selbst eingesetzt. Der Angeklagte kümmerte sich also weder darum, an wen die Briefe versandt wurden, noch, ob der Gewinnspieleintragungsdienst tatsächlich eine Forderung gegen den jeweiligen Empfänger des Schreibens hatte.
Darüber hinaus war zwischen dem Gewinnspieleintragungsdienst und dem Angeklagten vereinbart worden, dass keinesfalls eine gerichtliche Geltendmachung der Forderungen, geschweige denn die Erstattung von Strafanzeigen erfolgen sollte. Vielmehr sollten bei Beschwerden oder „Kündigungen“ seitens der Kunden diesen ohne weitere Prüfung stets sämtliche etwa bereits geleistete Zahlungen zurückerstattet werden.
In den Schreiben hatte der Anwalt und Beklagte jedoch formuliert, dass bei nicht fristgerechter Zahlung der Sachverhalt der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung wegen des Verdachts des Betruges vorgelegt würde. Die Strafkammer hatte diese Drohung mit einer Strafanzeige als verwerflich im Sinne des Nötigungstatbestandes (§ 240 Abs. 2 StGB*) bewertet.
BGH: Beschluss vom 5. September 2013 – 1 StR 162/13
LG Essen – Urteil vom 13. Dezember 2012 – 59 KLs 1/12