Eine Vermieterin lässt in ihrem Haus verschiedene Baumaßnahmen durchführen. Unter anderem werden Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke und der Außenfassade durchgeführt, die bisherigen Balkone durch größere Balkone mit einer Fläche von jeweils ca. 5 qm ersetzt und ein seit den siebziger Jahren stillgelegter Fahrstuhl wieder in Betrieb genommen. Keine ungewöhnliche Situation, vielfach wird man eine Wohnwertverbesserung durch Modernisierung anführen.
Doch was ist, wenn eine Warmmiete von bis dato knapp 670 Euro durch diese Maßnahmen um 240 Euro erhöht werden soll – und der Mieter (und Kläger) gleichzeitig Arbeitslosengeld II bezieht und zur Deckung der Wohnungsmiete monatlich einen Betrag von lediglich 463,10 € erhält?
Der Kläger ist Mieter einer knapp 86 qm großen Wohnung der Beklagten in Berlin, in der er seit seinem fünften Lebensjahr wohnt und die er inzwischen allein bewohnt. Die Wohnung liegt in einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1929. Der Mietvertrag über die Wohnung wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen.
Die beklagte Vermieterin erklärte dem Kläger gegenüber schriftlich die Erhöhung der Kaltmiete wie folgt: 70 € entfallen auf die Dämmungsarbeiten (davon 4,16 € auf die Dämmung der obersten Geschossdecke), 100 € auf den Anbau der neuen Balkone und weitere 70 € auf die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls.
Das zunächst angerufene Amtsgericht hat daraufhin nur festgestellt, dass er nicht zur Zahlung der Mieterhöhung von 70 € für die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls verpflichtet sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung beim Landgericht wurde das Urteil abgeändert und festgestellt, dass der Kläger aufgrund seines Härte-Einwands zur Zahlung einer Mieterhöhung von mehr als 4,16 € monatlich nicht verpflichtet sei. Denn er schulde weder für den Anbau eines größeren Balkons noch für die Fassadendämmung eine Mieterhöhung. Zu zahlen habe er nur den auf die Dämmung der obersten Geschossdecke entfallenden Betrag von 4,16 € monatlich. Die weiteren Mieterhöhungen seien unwirksam, weil sie für den Kläger eine finanzielle Härte bedeuteten, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Beklagten nicht zu rechtfertigen sei.
Angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers würden beide Mieterhöhungen für sich betrachtet jeweils mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass er die Wohnung aufgeben müsse. Die Frage, ob die Wohnung mit knapp 86 qm für den Kläger als Einzelperson unangemessen groß sei, spiele hierbei keine Rolle. Denn die Angemessenheit der Wohnungsgröße für die Anzahl der darin wohnenden Personen stelle aus Sicht des Berufungsgerichts kein Kriterium dar, das zu berücksichtigen sei.
Der Sinn und Zweck des Härteeinwands bestehe gerade darin, dass Wohnungen trotz der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen auch für Mieter mit geringem Einkommen finanzierbar blieben und so eine Gentrifizierung verhindert werde. Außerdem wohne der Kläger schon seit seinem fünften Lebensjahr in der Wohnung, sodass ihm jedenfalls nicht vorgeworfen werden könne, schon seit Beginn des Mietverhältnisses über seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben.
Dazu komme, dass eine Wohnung durch den Anbau eines 5 qm großen Balkons nicht nur in einen allgemein üblichen Zustand versetzt werde, der Berliner Mietspiegel werte Balkone mit über 4 qm Fläche als wohnwerterhöhend. Die Fassadendämmung stelle eine energetische Maßnahme dar, die nicht aufgrund von Umständen durchgeführt worden sei, die die Beklagte als Vermieterin nicht zu vertreten habe. Sie habe nicht dargelegt, dass der Instandsetzungsbedarf mehr als zehn Prozent der Fassadenfläche betragen habe und sie daher im Rahmen der Erneuerung des Außenputzes aufgrund der Vorschriften der Energieeinsparverordnung zur Vornahme einer Wärmedämmung verpflichtet gewesen sei.
Die Mieterhöhung ist ausgeschlossen, soweit sie – auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichen künftigen Betriebskosten– für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Eine Abwägung findet nicht statt, wenn die Mietsache lediglich in einen Zustand versetzt wurde, der allgemein üblich ist, oder die Modernisierungsmaßnahme auf Grund von Umständen durchgeführt wurde, die der Vermieter nicht zu vertreten hatte.
Bundesgerichtshof; Urteil vom 9. Oktober 2019; AZ – VIII ZR 21/19 –
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