Es geht um die Würde des Gerichts. Nicht mehr, nicht weniger. Und darum, was Vorsitzende im Gerichtssaal als angemessen betrachten. Einige denken, dass ein Zeuge in (sauberer) Arbeitskleidung schon ein Affront ist und belegen diesen mit einer Ordnungsstrafe (wurde später durch ein Urteil des OLG aufgehoben). Andere erwarten bei den Anwälten Krawatten und ein weißes Hemd unter der Robe. Egal, ob man das dann sieht oder nicht. Und man darf sich sicher auch fragen, ob und wie dies vom Gericht denn gemeinhin geprüft wird. Die richtige Bekleidung vor Gericht ist und bleibt jedoch ein Thema.
In Berlin ist übrigens alles anders. Da wurde bereits zum 1. April(!) 2009 die Robenpflicht für Anwälte aufgehoben. Getestet hatte das damals als Erster der Berliner Medienanwalt Johannes Eisenberg, der unter Berufung auf die neue Berliner Rechtslage in Jeans und Freizeithemd vor der 17. Strafkammer des dortigen Landgerichts auftrat. Er wurde aber darauf hingewiesen, dass der Erlass des Justizsenators das eine sei, die Auffassung der Rechtsanwaltskammer (und des Gerichts) das andere.
Bereits viele Jahre zuvor, noch im letzten Jahrhundert also, hatte sich bereits das Bundesverfassungsgericht dem Thema angenommen: Im Tragen der Anwaltsrobe, so die Verfassungsrichter im Jahre 1970, liege ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess. Sie befanden, dass so die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum gefördert werde. Klar, das kann man verstehen, so können die Richter durch die Bekleidung hochverdächtige Angeklagte nicht mehr so einfach mit deren Anwälten verwechseln.
Tatsächlich meint so mancher Jugendrichter, man müsse seinen Delinquenten ohne Robe entgegentreten, um so nicht zusätzliche Schwellen in oft schwierigen menschlichen Situationen aufzubauen. Und das OLG Koblenz sah gar den Auftritt eines Zeugen in Jogginghose und kurzärmeligem T-Shirt bei heißem Sommerwetter als problemlos an. In seinem Urteil von 1994 erkannte es, dass Gerichte keine übersteigerten Anforderungen mehr an die Bekleidung der Verfahrensbeteiligten stellen dürften. Vielmehr müssten sie sich in ihrem Bemühen um Bürgernähe dem Zeitgeist und seinen Modeerscheinungen nicht verschließen. Jedenfalls sei das Auftreten in ordentlicher Freizeitkleidung nicht zu beanstanden.
Gerichte und vorsitzende Richter haben sicher einen Entscheidungsspielraum was die Würde des Gerichts angeht – doch die Tendenz ist eindeutig: Ordentlich, sauber und im Fall des Falles auch mit Krawatte für die Anwälte – dann ist alles schön.