Das Für und Wider macht es Eltern nicht einfach mit dem Thema Filesharing gewissenhaft umzugehen: Zwei aktuelle Urteile scheinen einander zu widersprechen. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15.11.2012 entschieden, dass Eltern für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht haften, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt hatten. Zumal diese im konkreten Fall keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt.
Der Fall selbst liegt schon mehrere Jahre zurück. 2007 wurden nach den Ermittlungen eines von den Klägerinnen – von Tonträgerherstellern – beauftragten Unternehmens in einer Internettauschbörse unter einer bestimmten IP-Adresse 1.147 Audiodateien zum kostenlosen Download angeboten. Nach der eingeholten Auskunft beim Internetproviders war die IP-Adresse zur fraglichen Zeit dem Internetanschluss der Eltern zugewiesen, die damit die Beklagten wurden.
Diese hatten den Internetanschluss auch ihrem damals 13-jährigen Sohn zur Verfügung gestellt, dem sie einen gebrauchten PC überlassen hatten. Bei Durchsuchung der Wohnung wurde besagter PC beschlagnahmt, auf dem die Tauschbörsenprogramme „Morpheus“ und „Bearshare“ installiert waren, letzteres war sogar als Symbol auf dem Desktop sichtbar.
Die Klägerinnen ließen die Eltern durch einen Rechtsanwalt abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Diese gaben die Unterlassungserklärung ab – weigerten sich jedoch, Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten in einer Gesamthöhe von über 5.300 Euro zu erstatten. Die anschließende Klage der Tonträgerhersteller ging durch mehrere Instanzen, wobei der Landgericht Köln 2011 der Klage statt gab, da es die elterliche Aufsichtspflicht verletzt sah. Hätten die Eltern den PC ihres Sohnes monatlich überprüft, hätten sie die vom Sohn installierten Programme bei einem Blick in die Softwareliste oder auf den Desktop des Computers entdecken müssen.
Die Berufung blieb ohne Erfolg – erst der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies dabei darauf, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind genügen, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und man davon ausgehen könne, dass es grundlegende Gebote und Verbote befolgt.
Eine Verpflichtung der Eltern die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, bestehe grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern – so der BGH – erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine illegale Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.
Trotz Firewall, Kontrolle und Passwort: Aufsichtspflicht verletzt?
In einem zweiten Urteil vom 23. März 2012 urteilte das Oberlandesgericht Köln deutlich anders: Die Bedingungen waren sehr ähnlich, etwa beim Alter des Kindes und der Art der Anklage durch Tonträgerhersteller. Die Eltern waren sogar noch einen Schritt weiter als im anderen Fall gegangen und hatten sowohl eine Firewall als auch ein Security-Programm installiert, das – passwortgeschützt – für die Installation weiterer Programme auf „keine Zulassung“ eingestellt war. Weiterhin soll sogar eine monatliche Überprüfung des PCs des Sohnes stattgefunden haben.
Das Oberlandesgericht Köln entschied zu Gunsten der Klägerin. Den Eltern sei der Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung zu machen und sie hätten deswegen den entstandenen Schaden zu ersetzen. Es beständen erhebliche Zweifel daran, dass die Aufsichtsmaßnahmen hinreichend umgesetzt wurden. Der 13-jährige Sohn hatte unter Umgehung der Sicherungsmaßnahmen die Filesharing-Programme auf dem PC installiert. Demnach könne die Schutzmaßnahme nicht sachgerecht aufgespielt gewesen sein.
Auch hätte eine monatliche Kontrolle nicht gereicht, da die Verlaufsprotokolle gelöscht werden könnten. Zudem ließe eine spätere Teilnahme am Filesharing sich dadurch nicht erkennen, da sie nicht über den Browser sondern über die installierte Software erfolgte. Die Installation selbst hätte – so das OLG – den Eltern in der Softwareliste in der Windows-Systemsteuerung auffallen müssen. Schadensersatz und Abmahnkosten mussten in diesem Fall von den Eltern übernommen werden.
Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12 – Morpheus
LG Köln – Urteil vom 30. März 2011 – 28 O 716/10
CR 2011, 687
OLG Köln – Urteil vom 23. März 2012 – 6 U 67/11
WRP 2012, 1007