Als Bei- oder Mitfahrer ist man nicht verpflichtet auf die Verkehrszeichen zu achten, da man zu diesem Zeitpunkt kein Verkehrsteilnehmer ist. Wechselt man dann auf den Fahrersitz, kann nicht verlangt werden, dass man sich näher erkundigt ob irgendwelche Einschränkungen vorliegen. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm unter Aufhebung eines Urteils des Amtsgerichts (AG) Olpe.
Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte auf einem Parkplatz das Steuer übernommen, nachdem seine Ehefrau zuvor gefahren war. Trotz eines bestehenden Überholverbots überholte der Betroffene einen weiteren Pkw, worauf hin ihn das Amtsgericht wegen der fahrlässigen Nichtbeachtung dieses Verbots zu einer Geldbuße von knapp 90 Euro verurteilte. Die Begründung lautete, dass der Betroffene sich bei Fahrtantritt nach den geltenden Verkehrsregelungen hätte erkundigen müssen. Daher sei ihm auch die Missachtung des Überholverbots als fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.
Dieser Meinung war das OLG Hamm allerdings nicht und gab den Fall zur erneuten Verhandlung an das AG Olpe zurück. Zum Zeitpunkt des Fahrerwechsels sei das Überholverbotsschild für den Betroffenen als Fahrer nicht mehr sichtbar gewesen. Der beklagte Fahrer musste sich auch nicht bei seiner Ehefrau nach etwaig bestehenden besonderen Verkehrsregelungen erkundigen. Für eine solche Verpflichtung gäbe es keine Rechtsgrundlage.
Das OLG geht in seiner Begründung noch weiter und erkannte, dass wenn man eine solche Auskunft verlangen würde, es schließlich keine Gewähr für die Richtigkeit einer erhaltenen Auskunft gäbe. Und, gesetzt den Fall diese ist gar falsch, bestehe sogar die Gefahr, dass neue Fahrer im Vertrauen auf die Auskunft die im Verkehr gewünschte, gesteigerte Aufmerksamkeit vermissen lasse.
Bei der Neuverhandlung ist das Amtsgericht denn auch gehalten, den Sachverhalt weiter aufzuklären: Auch wenn der Beklagte die Beschilderung vor seinem Fahrtantritt an dem Tag nicht zur Kenntnis genommen hatte, so sei es doch möglich, dass er sie bereits kennt, weil er die Straße zuvor schon häufiger oder gar regelmäßig befahren hat. Zu klären sei außerdem, ob die örtlichen Gegebenheiten das Vorhandensein eines Überholverbots besonders nahe legen. Daraus könne sich dann in der Tat ein fahrlässiges Verhalten des Betroffenen ergeben, so das OLG.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 18.6.2014 – 1 RBs 89/14 –